Banken und Versicherungen – oder allgemein Finanzdienstleister – sind per se schon digital. Das heisst aber noch lange nicht, dass sie bereits in der digitalen Transformation wären. Finanzdienstleistungen werden zwar immer digitaler, doch mit Mobile Banking, Kooperationen mit Fintechs oder der Akquise von innovativen Startups ist ein Finanzinstitut noch nicht transformiert. Nur selten sind es nämlich die technologischen Herausforderungen, die Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister daran hindern, digital zu anderen Branchen aufzuschliessen – auch wenn sie in den letzten Jahren mit grossen Schritten aufgeholt haben. Erst, wenn ein neues Geschäftsmodell aus der Digitalisierung resultiert, das den Kunden Services komfortabler, schneller und kostengünstiger bereitstellt, kann von digitaler Transformation gesprochen werden. Natürlich wird ein Unternehmen nicht über Nacht zu einem Startup. Doch es lohnt sich, das Startup-Mindset Schritt für Schritt ins Haus zu holen – und bei allen Mitarbeitenden, angefangen beim Management, zu etablieren. Denn Minimal-Valuable-Product-Ansätze oder auch der Leitspruch «Fail fast. Fail again. Fail better.» bringen kontinuierliche Innovation und Fortschritt und damit die richtige Denke ins Unternehmen.
Direkter Weg zum Erfolg überhaupt möglich?
In Banken – wie generell im Finanzsektor – liegt daher die grösste Hürde in über jahrelang kultivierten und gelebten Gewohnheiten, Verhaltensweisen, Normen, Werten und in der Unternehmenskultur. Doch wie kann eine Kultur, die ja in erster Linie aus «weichen Faktoren» besteht, angepasst werden? Gibt es überhaupt einen direkten Weg zum Erfolg oder entsteht eine (starke) Veränderung in der Kultur erst als Folge von strategischen Anpassungen und verbesserten Prozessen? Wie kann sich ein bislang geschlossenes System, eine Institution wie eine Bank oder Versicherung nun plötzlich für Ko-Innovation, Ko-Kreation oder zunächst überhaupt erst einmal für Ko-operation mit Partnern (wie etwa innovative Fintechs und Startups) sowie Kunden öffnen?
Hindernisse überwinden – digitalen Mindset aufbauen
Gemäss einer McKinsey-Studie gibt es drei Hürden, welche der Entwicklung einer Digitalkultur im Wege stehen: Risikoaversion, Silo-Denkweise und generelles Nichtvorhandensein einer digitalen Kultur als solche. Die digitale Zukunft braucht also Mut, neue Strukturen und ein tiefes Verständnis davon, was der „digitale Wandel“ überhaupt bedeutet und beinhaltet.
Die Unternehmensführung ist gefordert. Eine Fehlerkultur, eine «One-Company-Identifikation» und ein «Digital First»-Mindset müssen etabliert werden. Kurz: Es braucht eine neue Unternehmenskultur, die rigoros und proaktiv gestaltet, gemessen und optimiert wird. Dieser Wandel im Unternehmen ist gleich ernst und wichtig zu nehmen wie jedes operationelle Projekt. Der Fokus auf die drei Hürden und deren Überwindung ist matchentscheidend. Das bedingt in erster Linie, dass das Management selber eine genaue, gemeinsame und klar definierte Vision der digitalen Chancen und Angebote ihres Unternehmens vor sich hat, die sich in eine realistische Strategie umsetzen lässt – und sich mit echten Ideen, Wissen und Zielen Glaubwürdigkeit in der Umsetzung der Strategie verschaffen.
Auf dieser Basis können Finanzunternehmen experimentierfreudiger und mutiger werden. Die klassische Trennung zwischen IT- und Fachabteilung löst sich auf und beide Seiten ziehen an einem Strang. Mit aus der DevOps-Kultur entnommenen Konzepten können innovative Applikationen schneller entwickelt und an den Markt gebracht werden. Diesen Weg beschreitet beispielsweise die St.Galler Kantonalbank, die damit konsequent ihrer bereits formulierten Digitalisierungsstrategie folgt.
Schweiz mit Aufholbedarf
Schweizer Unternehmen, beziehungsweise insbesondere Schweizer Finanzdienstleister, haben hier im Vergleich zu Disruptoren wie Revolut oder N26 oder auch zur Finanzindustrie in den baltischen und skandinavischen Ländern noch einigen Aufholbedarf. Auch wenn in vielen Unternehmen bereits erste zage Schritte gemacht werden, nicht nur technisch digital zu sein, sondern auch das digitale Mindset einzupflanzen, mangelt es vielerorts noch am nötigen Mut und Commitment. Doch genau das ist für digital führende Unternehmen, die innovativ und disruptiv sind, unabdingbar. Andernfalls läuft die Finanzindustrie Gefahr, dass ein Facebook, ein Google oder Amazon ihnen auch in ihrem ureigenen Business den Rang abläuft.
Der Einsatz eines Chief Digital Officers, der über sämtliche Businessunits seine Expertise zur Verfügung stellt und übergreifende digitale Prioritäten pusht, kann ein Mittel sein. Doch der CDO ist lediglich der Sämann, der die Saat der Digital-Kultur ins Unternehmen trägt und dafür sorgt, dass sie wächst und gedeiht und schlussendlich die gesamte Organisation von oben nach unten durchwuchert. Ist dies erreicht, wird jeder einzelne Mitarbeiter – vom CEO und der Geschäftsführung angefangen bis zum Lernenden – zum Digital Officer und bringt im Idealfall seine Ideen für neue digitale Services ein. So lautet auch der Leitspruch der Inventx: Digital ist das neue Normal