Die Finanzindustrie erlebt sinkende Margen – auch in der Schweiz. Da ist das aktuell herrschende Niedrigzinsumfeld nicht sonderlich hilfreich. Neu eingeführte Kontoführungsgebühren oder Negativzinsen verärgern die Kundschaft. Nichts wäre daher naheliegender, als sich zu überlegen, wie sich ein Finanzinstitut nicht nur auf der Kosten-, sondern vor allem auf der Ertragsseite besser aufstellen kann.
Mit Innovationen können neue differenzierende Dienstleistungen entstehen, die für die Kunden einen Mehrwert bieten und sie wieder «an Bord» holen. Besonders die Digitalisierung eröffnet der Finanzbranche attraktive Möglichkeiten.
Dabei muss das Institut gar nicht jede Neuerung selbst austüfteln. Es muss sich lediglich öffnen und ein Ökosystem schaffen, das die Einbindung von attraktiven Zusatzlösungen und die Zusammenarbeit mit Partnern – wie etwa innovativen Fintechs – vereinfacht. Fünf Gründe sprechen für diesen Ansatz:
1. Erhöhung der Markenbindung
Mit der Öffnung der Programmierschnittstellen (Application Programming Interface, APIs) ergibt sich für Banken, Versicherer oder auch andere Finanzdienstleister die Chance, den Kunden die Plattformen öffentliche APIs zugänglich zu machen, damit sie mehr aus ihren eigenen Daten «herausholen» und sie einfacher nutzen können. Zum Beispiel, indem sie sich mit Steuersystemen verbinden. So kann das Ausfüllen der Steuerformulare für Unternehmen und Privatpersonen vereinfacht werden. Je mehr praktische Dinge der Nutzer über «sein» System automatisch abwickeln kann, desto stärker ist er auch mit seiner Marke verbunden.
2. Verbessertes Kundenerlebnis
Open Banking hat ein grosses Potenzial. Banken und Finanzdienstleister sowie Drittparteien schaffen für ihre Kunden ein besseres und flexibleres Kundenerlebnis. Zudem können Finanzinstitute die Reise des Kunden (Customer Journeys) auf seine individuellen Bedürfnisse zuschneiden und mobile Journeys (App to App) optimieren.
3. Neue vertikale und digitale Einnahmequellen
Open Banking ermöglicht es Banken, neue digitale Einnahmequellen zu erschliessen – dank der Zusammenarbeit mit Drittparteien, die Apps entwickeln, welche direkt mit den Dienstleistungen der Bank verknüpft sind. Auch vertikal gibt es viel Potenzial: So etwa, indem Banken Nischenprodukte lancieren oder eine Produktfabrik für Open-Banking-Vertreiber aufstellen und diese Services für andere Finanzdienstleister zur Verfügung stellen. So vermeidet es die Bank, erodierende Margen über Gebühren ausgleichen zu müssen.
Werden neue Erträge über Geschäftsmodellinnovationen erschlossen, kann sich das Institut stärker auf den Kundennutzen fokussieren und auch auf die Klientel zugehen. Finanzdienstleister stellen damit den Kunden wieder ins Zentrum ihres Handelns. Zudem wird den «Zero Commission New Banks» die Stirn geboten, die derzeit in die Bresche springen.
4. Nachhaltiges Servicemodell für bisher unterversorgte Märkte
Nach wie vor gibt es Märkte und Zielgruppen, die von den Finanzdienstleistern unterversorgt sind. Mit Open Banking wird es einfacher, diese Gruppen zu erreichen. Indem Banken und andere Finanzdienstleister mit Drittparteien zusammenarbeiten, können sie kostengünstige Services entwickeln und anbieten. Diese Leistungen sind für bestehende und potenziell neue Kundensegmente sehr attraktiv. Sie decken Bedürfnisse ab, die bisher noch nicht durch die bestehenden Services adressiert werden konnten.
5. API als Produkt
APIs ermöglichen es Banken, ihr Geschäftsmodell zu zerlegen und einzelne Elemente neu zu vermarkten – zum Beispiel «Know-your-Customer» (KYC), Anti-Geldwäsche-Massnahmen (AML), Betrugserkennung oder Risiko-Scoring. Diese können sie unter dem Banken-Brand neu vermarkten oder Partnern als White-Label-Lösungen zur Verfügung stellen.
Finanzdienstleister müssen Partnerschaften eingehen
Auch wenn Open Banking für viele Finanzdienstleister die Konkurrenz auf den ersten Blick weiter verschärft: Banken und generell die Finanzindustrie werden nicht darum herumkommen, Partnerschaften mit Drittparteien einzugehen, damit sie in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben. Open Banking macht dies nicht nur möglich, sondern eröffnet auch eine Vielzahl an Möglichkeiten, mit denen sich die Finanzdienstleister im zunehmend umkämpften Markt neu erfinden und den Kunden Mehrwerte bieten können. Doch Vorsicht: Auch wenn es der richtige Entscheid ist – es gilt, diesen auch richtig umzusetzen. Herausgefordert wird die Systemintegration, damit die Schnittstellen sicher und zuverlässig funktionieren. In diesem Sinne: Die Wahl des richtigen IT-Providers ist die Basis für eine erfolgreiche Umsetzung der Open-Banking-Strategie.