Die Digitale Transformation hat der Schweizer Finanzindustrie einen komplett neuen Wirtschaftszweig mit hohen Wachstumsraten beschert: Der Fintech-Sektor ist gemäss Informationen aus der «IFZ Fintech-Studie 2019» der Hochschule Luzern im vergangenen Jahr um satte 62 Prozent gewachsen. Überproportional angestiegen ist der Anteil der Startups, die sich auf den Bereich der Distributed Ledger Technology (DLT) spezialisiert haben: Deren Zahl der Unternehmen, die Anwendungen rund um dezentral organisierte Datenbanken entwickelt, hat sich mehr als verdreifacht und beläuft sich mittlerweile auf stolze 122 Unternehmen von insgesamt 356 untersuchten Fintechs. Dazu passt, dass sich die Schweiz als attraktiver Standort für die Blockchain-Technologie etabliert hat und auch politisch und legislativ laufend optimierte Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche die Gründung und Ansiedlung von Unternehmen in diesem Bereich begünstigen.

Technologie mit viel Potenzial für Banken

Die DLT – der gemeinhin gängige Begriff Blockchain bezeichnet nur eine bestimmte Art von Distributed Ledgern – birgt gerade für Banken enormes Potenzial. Denn die dezentrale Datenbank ist besonders gut geeignet für jede Art von Transaktion, die einen hohen Grad an Verifizierung und Validierung erfordert. Es ist somit nicht erstaunlich, dass die DLT in allen Bereichen von Banking Infrastructure über Deposit & Lending, Investment Management bis hin zu Payment ihren Einsatz findet.

Sicherheitsgarantie für digitale Assets

Mit der Entwicklung von DLT und Blockchain sind auch digitale Assets entstanden und nehmen an Wichtigkeit immer weiter zu. Wie der Name schon sagt, befinden sich digitale Assets im Gegensatz zu traditionellen Assets nicht in der physischen Welt, sondern im digitalen Raum. Sie sind also immateriell und binär, beruhen auf Algorithmen und Daten. Zu ihnen zählen Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum, Utility/Security Tokens und digitale Commodities.

Schweizer Standortvorteile für digitale Assets

Noch sind digitale Assets weitgehend unreguliert. Einer ihrer zahlreichen Vorteile ist die leichte Handelbarkeit. Im Unterschied zu physischen Assets im Tresor müssen für die sichere Aufbewahrung der digitalen Assets aber auch digitale Sicherheitslösungen geschaffen werden, die nur autorisierten Personen Zugriff erlauben. Gefragt sind dafür hochsichere, aber gleichzeitig benutzerfreundliche Lösungen. Sie müssen mit den geltenden Finanzmarktregulierungen kompatibel sein. Und die Kunden müssen mit ihnen ihre digitalen Vermögenswerte so sicher wie herkömmliche Anlageklassen verwahren können. Auch hierfür kann die Schweiz im Hinblick auf den Grad der Datensicherheit sowie auf Diskretion und Transparenz grosse Standortvorteile für sich in Anspruch nehmen. Sollten die gemeinsamen Anstrengungen der Fintech-Community, der Investoren, Standortförderer und weiterer zugewandter Kreise fruchten, krypto-freundliche Regulationen in Gang zu bringen, wäre ein weiterer Schritt zum Durchbruch vollbracht. Mit der Blockchain hat sich der Tresor in die virtuelle Welt transferiert, in dem die digitalen Inhalte algorithmengesteuert auf höchstem Sicherheitsniveau, mit hoher Transparenz und Nachvollziehbarkeit in dezentralen Datenbanken gespeichert werden können. Neben der Funktion als digitaler Tresor zur Aufbewahrung der Assets hat die DLT aber auch die Fähigkeit, die Assets zu generieren und zu verwalten. Eigentumsrechte, Kapitalanlagen, Aktien, neuerdings selbst digitalisierte – kryptonisierte – Anteile materieller Güter (z.B. Anteile an Immobilien oder Kunstgegenständen) können auf der Blockchain effizient und kostengünstig verwaltet werden.

Experimentieren und kooperieren

Prinzipiell ist es Schweizer Banken erlaubt, digitale Vermögenswerte von Kunden entgegenzunehmen und zu verwalten. Doch tatsächlich zögern viele Banken noch. Aus ihrer Sicht sind Legitimationsprüfung (KYC – know your customer) und das Vorbeugen von Geldwäsche (AML – anti money laundering) im Zusammenhang mit digitalen Assets noch nicht zufriedenstellend gelöst. Dennoch ist es Banken anzuraten, mit diesen neuen Technologien und ihrem Potenzial zu experimentieren. Sie müssen ja nicht zwingend ihren Kunden unmittelbar Produkte und Services in diesem Bereich anbieten. Aber sie sollten sich bewusst sein, dass mit dem Wachstum der Fintech-Szene eine neue Wettbewerbslandschaft entsteht. Vermehrt suchen Banken die Kooperation mit Startups und entwickeln gemeinsam nach und nach marktreife Lösungen. Denn die Nachfrage nach Angeboten rund um digitale Assets wird weiter zunehmen. Zu erwarten ist, dass sich das Potenzial der Blockchain in diesen Bereichen immer stärker manifestieren wird:

  • Zahlungsverkehr: Insbesondere im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr hat Blockchain hohes Potenzial, was die Korrespondenzbanken in Bedrängnis bringen kann. Denn dank der DLT können Mittler zwischen zwei Vertragsparteien weitgehend ausgeschaltet werden. Als Beispiel sind hier Zahlungen mit hoher Dringlichkeit zu nennen. So erreichen DLT-basierte Überweisungen auch am Wochenende und an Feiertagen die Empfänger innerhalb von wenigen Minuten.
  • Verifikation von digitalen Identitäten: Blockchain ermöglicht die Überprüfung, Authentifizierung und Autorisierung von natürlichen Personen, die durch Blockchain-basierte Plattformen abgesichert werden. Damit könnten die Banken der eID in der Schweiz kostengünstig und sicher zum Durchbruch verhelfen, die dann auch für eGovernment genutzt werden könnte, wie es beispielsweise in Skandinavien schon umgesetzt wird.
  • Zahlungsverkehr und Kreditvergabe: Blockchain kann Aufgaben aus den für Banken nach wie vor zentralen Bereichen Zahlungsverkehr und Kreditvergabe massiv vereinfachen, beschleunigen und zugleich sicherer machen.

Die Dynamik in der Entwicklung von DLT und insbesondere die Blockchain wird die Banken zunehmend vor sich hertreiben und zu Innovation zwingen.