Seit Jahrzehnten wächst der «Hunger» von IT-Systemen nach Strom. Und es ist abzusehen, dass mit den Trends hin zu Hybrid oder Distributed Clouds, mit KI und dezentraler Datenverwaltung (Edge Computing) noch mehr Ressourcen an Rechenpower und Storage benötigt werden. Schon heute werden jede Minute gleichzeitig unter anderem rund 6 Mio. Google-Suchanfragen gestartet, fast 140 Mio. Reels auf Facebook oder Instagram geladen und um die 230 Mio. Meetingminuten auf MS Teams aufgenommen. Die IT-Kosten steigen, obwohl mit Informatik und Digitalisierung Rationalisierung, Produktivitäts- und Effizienzsteigerung angestrebt werden. Das spürt auch die Finanzindustrie – und lenkt daher ihr Augenmerk nicht nur auf nachhaltigere Anlagen, sondern auch nachhaltigeres Computing. Gemäss dem Marktforschungsunternehmen Gartner ist energieeffizientes Computing neben Post-Quanten-Kryptografie oder unsichtbarer Umgebungsintelligenz ein aufkommendes Paradigma mit grossem Potenzial.

Sustainable Computing hat viele Hebel

Sustainable Computing startet beim Design und der Entwicklung von energieeffizienten Computersystemen, reicht über deren umweltfreundlichen Gebrauch und endet mit schonender Entsorgung bzw. Wiederverwertung. In diesem Kreislauf lassen sich zahlreiche Hebel ansetzen: die Hard- und Software, das Rechenzentrum, Nutzungsdauer und Reparaturfähigkeit der Komponenten und Systeme, deren Recycling – und auch das energie- und umweltbewusste Verhalten der Benutzer und Administratoren.

Bei der Hardware bieten sich etwa effizientere Laptops anstelle von Workstations an. Energie lässt sich bei der Konfiguration, z. B. bei der Helligkeit, einsparen; mehr noch beim Auto-Shutdown anstatt ständigen Standbys. Serverseitig sind es moderne Prozessoren und Arbeitsspeicher, SSD statt HDD-Festplatten, Virtualisierung oder die Wahl von shared-Betriebsmodellen, die den Unterschied machen können.

Die Softwareentwicklung kann über die Code-Qualität unter Nutzung von Lightweight-Frameworks mit vorgesehenem Up- und Downscaling bereits beim Design beitragen; im Betrieb dann helfen Energiesparpläne der Betriebssysteme, Automatisierungslösungen, Verfügbarkeitsoptimierungen oder auch Infrastructure as a Code, dass Ressourcen nur dann in Betrieb sind, wenn sie gebraucht werden.

Gross denken

Auch das Datacenter rückt ins Blickfeld. Zwar lässt sich auch hier an vielen Stellschrauben drehen, doch eine einzige Massnahme sticht alle anderen aus: Am nachhaltigsten sind die Unternehmen unterwegs, die ihre IT auslagern. Denn moderne professionelle Rechenzentren punkten mit ausgefeilteren Kühlsystemen und können dank Skaleneffekten ihre Server besser auslasten, so dass sie trotz höheren absoluten Energiebedarfs insgesamt energiesparender sind, als es der einzelne IT-Betrieb im eigenen Serverraum je sein kann. Studien sprechen von 46-prozentiger Effizienzsteigerung!

Kommt hinzu, dass die aktuellen Rechenzentren noch nicht auf KI ausgelegt sind. Für kommerzielle Datacenter-Anbieter eröffnet sich hier ein spannendes Innovationsfeld: Bei der Energiebereitstellung wird über lokale Energieproduktion, etwa mit kleinen geothermischen Kraftwerken, nachgedacht. Eine effizientere Stromverteilung speist sich künftig aus mehr Intelligenz (Smart Grids) oder neuartigen Batterien. Quantencomputing, Liquid-Chip-Kühlung oder rekonfigurierbare Parallelprozessoren revolutionieren die Infrastruktur und KI, die zwar selbst mehr Energie braucht, kann als «built-in»-Komponente oder in der Cloud ebenso Nachhaltigkeitseffekte erzielen.

Beim Hebel Nutzungsdauer und Reparaturfähigkeit setzt erst langsam ein Umdenken ein. Hardware kann häufig bedeutend länger als erwartet eingesetzt werden; doch gilt zu bedenken, dass neuere Komponenten wiederum in der Regel bedeutend ressourcenschonender sind. Bei der Reparatur fällt oftmals weniger der Bonus Umweltfreundlichkeit als der Malus Arbeitskosten ins Gewicht.

Erfolgreicher ist man in der Schweiz dank Swico hingegen beim Thema Entsorgung und Recycling: Ganze 90 bis 95 Prozent der Elektrogeräte werden laut Schätzung mittlerweile wiederverwertet.

Der Faktor Mensch

Letztendlich haben es aber auch die Systemadministratoren und die Nutzerinnen und Nutzer in der Hand, für eine umweltfreundlichere und ressourcenschonendere IT zu sorgen. In der IT-Landschaft kann die Reduzierung der Anzahl von Entwicklungs-, Test- und Produktivumgebungen einen Effizienzschub auslösen. Eine regelmässige Überprüfung des Server-Sizing und der Datenbestände, die Erhöhung des Sharinggrads, ein automatischer Lastausgleich oder Konsolidierung zeigen ebenfalls Effekte. Hilfreich sind auch eine zentrale Verwaltung und die Einführung einer ressourcenschonenden Policy im IT-Management, die bereits bei der Konfiguration ansetzt.

Doch auch jede und jeder Einzelne im Unternehmen kann beitragen: Die Userinnen und User können am Ende ihres Arbeitstages ihre Geräte herunterfahren; Zeitschalter, SmartPlugs oder Steckleisten erleichtern diese Routine. Bei der Nutzung von Applikationen kann bewusst vorgegangen werden – Suchen ist z. B. energieschonender als Prompten. Und wenn jedes Quäntchen Energie zählt, dann kommt es auch auf jedes Programm an, das bei Nichtverwendung geschlossen wird, um Hintergrundaktivitäten zu reduzieren und damit Energieverschwendung zu vermeiden.

Oftmals werden Nachhaltigkeitskriterien heutzutage im Rahmen von übergeordneten ESG-Strategien und -Anstrengungen definiert und in ihrer Umsetzung bzw. Wirksamkeit kontrolliert. Gerade die Finanzbranche hat sich hier als Vorreiter erwiesen.

Bild-Quelle: Rechenzentrum Ostschweiz (RZO)