Die digitale Transformation krempelt die Finanzbranche um. Dem pflichteten im neusten EY Bankenbarometer 2019 immerhin 66 Prozent der Schweizer Banken bei. In der Schweiz verläuft dieser Transformationsprozess jedoch eher zögerlich – die Digitalisierung von Bankdienstleistungen in der Schweiz liegt deutlich unter dem Niveau führender Industrienationen. Und dies, obwohl die Schweiz einer der 15 grössten Märkte für Banken ist.
Noch hat die Schweiz als kleiner und sprachlich fragmentierter Markt für internationale Unternehmen im Bereich Financial Services nicht erste Priorität für einen Markteintritt. Doch es ist absehbar, dass Pendants von Revolut & Co. kontinuierlich auch in den Schweizer Markt expandieren werden. Für Schweizer Banken gilt es, Strategien zu formulieren, wie mit den digitalen Herausforderungen umzugehen ist.
Wie weit sind Schweizer Banken im Prozess der digitalen Transformation?
Die digitale Transformation könnte für den Schweizer Bankensektor dringend nötige Impulse bringen: Der Sektor wächst langsam, die Margen sind unter Druck und die Kostenbasis ist hoch. Das Problem ist: Es hapert bei der Umsetzung. Bei konkreten Geschäftsmodellen und im Umgang mit Prozessen, Daten und Infrastrukturen liegen die Schweizer Banken gegenüber der europäischen Konkurrenz zurück. Gegenüber Fintechs sind ihre Gebühren und sonstigen Kosten viel zu teuer. Jörg Sandrock, Chef der Schweizer Smartphone-Bank Neon, sieht im Interview mit dem Tages-Anzeiger mangelnden Konkurrenzdruck als Ursache. Das bedeutet: Die Schweizer Banken hätten gar keinen Anreiz, günstiger zu werden. Doch mit einer solchen Einstellung ist es fraglich, ob es die Schweizer Finanzinstitute rechtzeitig schaffen, sich für das digitale Zeitalter fit zu machen. Bei den meisten Schweizer Banken lassen sich weniger als die Hälfte aller Dienstleistungen online beziehen; Lediglich im digitalen Wertschriftenhandel liegen Schweizer Banken im internationalen Vergleich vorn. Einfache Services wie eine Adressänderung erfordern bei den meisten Banken nach wie vor eine persönliche Interaktion oder komplizierten Schriftverkehr. Ist das noch zeitgemäss?
Generationen Y und Z erwarten mehr
Zwar reagieren Bankkunden nicht in erster Linie und ausschliesslich auf tiefere Preise. Doch gerade junge, digital affine Privatkunden könnten bei der Kombination von günstigeren Konditionen und attraktiven Produkten, die online oder mobile zu handhaben sind, leicht abtrünnig werden. Es sind auch diese jungen Bankkunden, die mehr erwarten als das, was ihnen Banken bisher bieten. Wer in Zeiten aufwächst, in denen Produkte und Services auf Big Data basieren und entsprechend personalisiert sind, wer sich dank Internet einen 24/7-Service gewohnt ist und für wen digitale Geschäftsmodelle längst Alltag sind, erwartet, dass auch das Bankgeschäft mit technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt hält. Kommt hinzu, dass auch traditionelle Kundensegmente neue Technologien immer schneller adaptieren, wie das Smartphone uns allen eindrücklich aufgezeigt hat. Möglichkeiten für neue, spannende Angebote gibt es genug. Und technologisches wie auch wirtschaftliches Know-how – so könnte man meinen – sollte in der Schweiz auch vorhanden sein.
Neue Geschäftsmodelle braucht das Land
Die Lösung? Innovationen im Banking – neue Produkte und Services, die digital kostensparender für Kunde und Bank gleichermassen angeboten und bezogen werden können – müssen schneller entwickelt und an den Markt gebracht werden. Entweder entwickelt sie die Bank selbst. Oder sie öffnet sich innovativen Fintechs und anderen Software-Entwicklungspartnern und integriert deren Applikationen in das eigene Portfolio über offene Schnittstellen. Dafür müssen die Banken sich jedoch auch öffnen für neue Entwicklungsansätze und Partnerschaften. DevOps hat sich mittlerweile als Konzept durchgesetzt, das agile Softwareentwicklung mit Sicherheit im operativen Betrieb verknüpft. In der Finanzindustrie mit ihren strikten Compliance- und IT-Security-Vorgaben kann natürlich nicht einfach herumexperimentiert und in Betrieb genommen werden. Verhaltensanalysen der Kunden, Tests und Releasezyklen oder auch dem Einsatz von in anderen Industrien gängigen Minimal Viable Products sind regulatorische Grenzen gesetzt. Dennoch: Die Zeit der monolithischen Applikationen und behäbigen Innovation ist vorbei. Kantonalbanken wie die St. Galler Kantonalbank zum Beispiel animieren ihre Kunden via App zum Sparen oder online zum Abschluss von Hypotheken. Und die Bank Cler lanciert eine App, die Budgetübersicht und Bankinganwendungen wie beispielsweise Überweisungen nutzerfreundlich miteinander verbindet. Diese Services haben nicht mehr den Funktionsumfang traditioneller Bankanwendungen, sondern bedienen ein ganz bestimmtes Bedürfnis. Apps wie diese können daher für sich alleinstehend entwickelt, implementiert und ausgerollt werden. Und dazu muss das Finanzinstitut die agile Entwicklungsplattform nicht einmal mehr selbst aufbauen. DevOps kann heutzutage FINMA-konform aus der Cloud – mit besonderer Berücksichtigung der Anforderungen der Schweizer Banken – bezogen werden.
Cloud für Digitalisierung von höchster Relevanz
Das bringt uns zurück zur Frage, wie weit die Digitalisierung der Finanzbranche fortgeschritten ist: Noch zögern die Banken, wenn es um Cloud geht. Doch ohne Cloud ist Digitalisierung mittlerweile undenkbar geworden. Zu schnell muss skaliert werden können, zu flexibel müssen Ressourcen bereitstehen. Zu hoch ist der Kostendruck, als dass bestehende Infrastrukturen mit der Innovationsdynamik im digitalen Wandel der Finanzbranche mithalten könnten. Oder anders gesagt: Wie lange kann sich ein Finanzinstitut dem Universum an kontinuierlicher Innovation aus der Cloud entziehen und seinen Kunden eine wettbewerbsdifferenziere „Customer Experience“ bieten?